Seit bald 15 Jahren besteht in der Schweiz für Kleinunternehmen die Möglichkeit, bei der Mehrwertsteuer anstelle des aufwändigen effektiven Abrechnungsverfahrens das einfachere Saldosteuersatzverfahren anzuwenden. Trotzdem gibt es auch heute noch viele Geschäftsinhaber, die den Unterschied zwischen den beiden Verfahren nicht kennen und sich bei der MWST-Anmeldung überfordert fühlen. In diesem Beitrag erklären wir euch den Unterschied der beiden Abrechnungsverfahren und zeigen auf, ob und wann das Saldosteuersatz-Verfahren für Ihr Unternehmen in Frage kommt.
Das effektive MWST-Abrechnungsverfahren
Bevor wir auf die Vorteile des Saldosteuersatzverfahrens eingehen, wollen wir uns das System der effektiven Abrechnung vor Augen führen. Bei diesem Verfahren wird die geschuldete MWST (in der Regel 8.1 % des Umsatzes oder 3.8 % bei Beherbergungsunternehmen) um die Vorsteuer vermindert. Die Vorsteuer ist in anderen Worten nichts anderes als die Summe aller MWST-Abzüge der Ausgaben-Belege. Bei der Abrechnung mit dem effektiven Verfahren, wird die MWST dann quartalsweise an die ESTV abgeliefert.
Beispiel: Ein Dienstleistungsunternehmen generiert einen Umsatz von CHF 1'000'000 zzgl. 8.1% MWST. Das heisst, das Unternehmen muss für dieses Jahr CHF 81'000.- an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) abliefern. Das Unternehmen hat aber auch für CHF 200'000 Franken Material eingekauft inkl. 8.1% MWST (d.h. inkl. CHF 16'200 MWST) und für CHF 50'000 Franken Lebensmittel eingekauft inkl. 2.6 % (d.h. inkl. CHF 1'300 MWST). Total liefert das Unternehmen also folgenden Betrag an die ESTV ab: CHF 81'000 - CHF 16'200 - CHF 1'300 = CHF 63'500.
Die Rechnung ist in der Praxis natürlich viel aufwändiger. Um den Vorsteuerabzug korrekt zu ermitteln muss ein Treuhänder jeden einzelnen Beleg überprüfen und die Abzüge richtig zusammenrechnen. Bereits auf einem Beleg kann es mehrere Abzüge haben (z.B. ein Beleg bei einer Tankstelle: Das Benzin wird mit 8.1 % MWST verrechnet und die Verpflegung zu einem reduzierten Satz von 2.6 %).
Das Saldosteuersatz-Verfahren
Im Gegensatz zur effektiven Abrechnungsmethode vereinfacht die Saldosteuersatzmethode für kleine und mittlere Unternehmen die Steuerabrechnung mit der ESTV. Beim Saldosteuersatzverfahren erhält ein Unternehmen, sofern es sich für das Saldosteuersatzverfahren anmeldet und qualifiziert, einen reduzierten Steuersatz, mit dem es seinen Umsatz multiplizieren muss. Der Saldosteuersatz orientiert sich dabei an der Branche und Tätigkeit um möglichst genau den potenziellen Vorsteuerabzug zu berücksichtigen. Steuerpflichtige, deren Tätigkeiten unterschiedlichen Saldosteuersätzen unterliegen, können unter bestimmten Voraussetzungen bis zu zwei Saldosteuersätze in Anspruch nehmen. Die Tätigkeiten müssen dabei aber mehr als 10 % des Gesamtumsatzes ausmachen, damit zwei Saldosteuersätze gewährt werden.
Der Vorteil: Der Saldosteuersatz berücksichtigt bereits den Vorsteuerabzug! Das bedeutet, dass das Unternehmen nicht mehr mühsam alle Vorsteuerabzüge zusammenzählen muss, wodurch der geschuldete Steuerbetrag in wenigen Minuten ermittelt werden kann. Zudem erfolgt die Abrechnung nicht wie üblich quartalsweise, sondern halbjährlich.
Beispiel: Das gleiche Dienstleistungsunternehmen von oben generiert einen Umsatz von CHF 1'000'000 zzgl. 8.1% MWST. Das Unternehmen rechnet mit dem Saldosteuersatzverfahren ab und hat einen Saldosteuersatz von 5.3 % von der ESTV zugewiesen bekommen; Die Vorsteuer muss das Unternehmen daher nicht berücksichtigen. Um den geschuldeten Betrag zu ermitteln, muss das Unternehmen den Umsatz inkl. MWST, also CHF 1'081'000 mit dem Saldosteuersatz multiplizieren. Total liefert das Unternehmen also folgenden Betrag an die ESTV ab: CHF 1'081'000 * 0.053 = CHF 57'293.
Wer darf Saldosteuersätze anwenden?
Grundsätzlich können alle Unternehmen mit Saldosteuersätzen abrechnen. Dazu ist jedoch eine vorgängige Anmeldung bei der ESTV notwendig. Wer sich nicht explizit für die Abrechnung mit Saldosteuersätzen anmeldet, rechnet (vorerst) mit effektiven Steuersätzen ab. Alle Unternehmen, die folgende Bedingungen erfüllen können sich für die Abrechnung mit Saldosteuersätzen anmelden:
Der steuerbare Jahresumsatz (inkl. Steuer) darf nicht mehr als 5,005 Mio. Franken betragen.
Die geschuldete Mehrwertsteuer darf nicht mehr als 103 000 Franken pro Jahr betragen. Sie wird durch Multiplikation des gesamten steuerbaren Umsatzes mit dem für die betreffende Branche geltenden Saldosteuersatz ermittelt.
Wer mit Saldosteuersätzen abrechnen möchte, kann dies folgendermassen tun:
Unternehmen zu Beginn ihrer Steuerpflicht: Unternehmen, die neu MWST-Pflichtig werden, können der ESTV innert 60 Tagen nach Zustellung der MWST-Nummer in schriftlicher Form einen Antrag auf Abrechnung mit Saldosteuersätzen stellen.
Unternehmen, die bereits effektiv besteuert werden: Rechnet ein Unternehmen mit der effektiven Methode ab, so ist ein Wechsel frühestens nach drei Jahren mit effektiver Methode und nur auf den Beginn einer Steuerperiode, also per Anfang Jahr, möglich.
Wie lautet mein Saldosteuersatz und kann ich damit Steuern sparen?
Den genauen Steuersatz ermittelt die ESTV anhand der Branche ihres Unternehmens. Die genaue Liste kann man hier auffinden: Saldosteuersätze nach Branche.
Die Saldosteuersätze sind in der Regel leider kein Mittel zur Steuerersparnis, da dies nicht Sinn und Zweck der Saldosteuersätze ist. Die Saldosteuersätze erleichtern aber insbesondere kleineren Unternehmen die fristgerechte Abrechnung und Deklaration bei der ESTV, was Zeit und je nachdem auch Geld sparen kann (z.B. durch Vermeiden von Mahngebühren und geringeren Treuhandkosten). Wir empfehlen deshalb fast allen unseren Kunden die Abrechnung mit Saldosteuersätzen.
Falls Ihr Unternehmen die Abrechnung nach der Saldosteuersatzmethode in Betracht zieht, empfehlen wir Ihnen einen detaillierten Vergleich der beiden Abrechnungsmethoden. Dabei spielen die zukünftig geplanten Umsätze und Investitionen eine entscheidende Rolle. In der Aufbauphase eines Unternehmens kann beispielsweise die effektive Abrechnungsmethode interessant sein, da die hohen Vorsteuern auch tatsächlich zurückgefordert werden können. Entscheidet sich ein Unternehmen jedoch zu Beginn für die effektive Methode, ist ein Wechsel zur Saldosteuersatzmethode erst nach drei Jahren möglich. Zu einer seriösen MWST-Planung gehört also nicht nur die richtige Wahl sondern auch die Überwachung und allenfalls Änderung des Abrechnungsverfahrens. Nur so kann sichergestellt werden, dass mit den richtigen Saldosteuersätzen und der richtigen Methode abgerechnet wird.
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